Wirkungsdauer der Arzneien

 

 

· Die Wirkungsdauer der Arzneien, worunter man sowohl die Erstwirkung als die Nachwirkung verstehen muss, ist sehr verschieden, sowohl nach der Eigentümlichkeit der Arznei selbst als auch nach der Eigentümlichkeit der Krankheit und der Konstitution des Menschen.[1]  

·  Nach Hahnemann: „In der Regel also wirken die antipsorischen Arzneien in langwierigen Krankheiten desto länger anhaltend, je langwieriger letztere sind. Aber auch umgekehrt wirken selbst die Arzneien, welche im gesunden Körper eine lange Wirkungsdauer zeigen (z.B. Belladonna, Schwefel, Arsenik usw.) doch nur kurze Zeit und schnell in akuten und schnellläufigen Krankheiten, und desto kürzer, je akuter letztere sind.“[2] [Hervorhebung durch den Bearbeiter]  

"Viele jüngere Homöopathen scheinen nicht zu wissen oder vergessen zu haben, dass bei mehreren Arzneien die Erstwirkungen und Nachwirkungen zu wiederholten Malen miteinander abwechseln, mithin, so lange dies geschieht, die Wirkung einer Gabe nicht vollendet ist.“[3] [Hervorhebung durch den Bearbeiter]  

Obwohl die Beobachtung der (relativen) Wirkungsdauer und damit das Auswirkenlassen einer gegebenen Arznei bei Q-Potenzen bei weitem nicht die Rolle wie bei höheren C-Potenzen spielt, ist deren Kenntnis natürlich trotzdem bezüglich des Mittelcharakters enorm wichtig und soll deshalb hier aufgeführt werden:


1. Klasse, am allerkürzesten wirkende Mittel:


Acon
, Camph, Coff, Ip, Laur, Mosch, Op, Par, Rheum, Samb, Stram und Tarax.


„Von diesen, den akutesten Krankheiten und einer notwendigen schnellen Hilfe am Meisten entsprechenden Arzneien kann daher bei chronischen Übeln höchstens nur als seltene Zwischenmittel Anwendung gemacht werden.“


2. Klasse, Mittel mit kurzer Wirkungsdauer
:


Agn
, Arn, Asar, Bry, Calad, Cann-s, Canth, Caps, Cham, Chel, Chin, Cina, Cocc, Croc, Cycl, Dros, Euphr, Hyos, Ign, Kreos, Mag, Mag-arct, Mag-aust, Meny, Nux-m, Nux-v, Puls, Ran-b, Ruta, Sabad, Scil, Sec, Teucr, Valer, Verat-a, Verb, Viol-o, Viol-t.


„Auch von diesen Mitteln wird man bei eigentlich chronischen (psorischen) Krankheiten wenig Erfolge haben. Nur als Zwischenmittel
, oder wo das langwierige Siechtum in Arzneimissbrauch seinen Grund hat, kann man, in Ermangelung besser passender Mittel, von diesen eine teilweise Besserung erwarten, wie z.B. von Bry bei Lungenleiden, von Canth bei Morbus Brighthii, von Dros bei Kehlkopfaffektionen, von Nux-v und Puls bei mancherlei Beschwerden, die im gemeinen Leben nicht selten vorkommen und sich oft längere Zeit hindurch fortschleppen.“ [Nicht kursive Hervorhebung durch den Bearbeiter]


3. Klasse, Mittel mit mittlerer Wirkungsdauer:


Agar
, Ambr, Am-m, Anac, Ang, Ant-t, Arg-m, Asaf, Bell, Bor, Bov, Brom, Cic, Clem, Colch, Coloc, Con, Cupr, Dig, Dulc, Euph, Guaj, Hell, Jod, Lach, Led, Mag-m, Merc, Mez, Mur-ac, Nat-m, Nit-ac, Olnd, Ph-ac, Plb, Ran-s, Rhod, Rhus-t, Sabin, Sars, Seneg, Spig, Spong, Staph, Sulf-ac, Thuj, Zinc.


„Die hier aufgeführten Mittel können so ziemlich alle sowohl bei akuten als chronischen Krankheiten mit entschiedenem Nutzen gegeben werden, wenn nur nicht bei jenen der Verlauf allzu rapid ist, oder bei diesen das Leiden gar zu alt und dadurch allzu sehr festgewurzelt ist. In meiner langjährigen Praxis ist es mir eben so auffallend, als merkwürdig gewesen, dass mit einer Säure verbundene Stoffe, wie z.B. Am-m, Ant-t, Mag-m, Nat-m, Nit-ac, Ph-ac und Sulf-ac eine, wie mir beständig geschienen hat, bedeutend kürzere Wirkungsdauer hatten, als die einfache Basis (Am-c, Ant-c, Mag-c, Nat-c, Phos und Sulf).“


4. Klasse, Mittel mit langer Wirkungsdauer:


Alum-m
, Am-c, Ars, Aur, Bism, Carb-an, Carb-v, Ferr, Fl-ac, Kali-n, Lyc, Mag-c, Mang, Nat-c, Petr, Plat, Selen, Stann, Stront.


„Diese
 Mittel gehören sämtlich zu den sogenannten antipsorischen Mitteln, eine Benennung, welche man vielfältig zwar nicht mehr gelten lassen will, wofür mir aber kein anderes passenderes Wort bekannt ist. Bei gehöriger Diät, und einmal zur Wirkung gebracht, erstreckt sich diese über mehrere Wochen, und ich habe stets Nachteil davon beobachtet, wenn während derselben voreilige Störungen durch Darreichung derselben oder einer anderen Arznei vorkamen. Am meisten scheint man sich hüten zu müssen bei diesen langwirkenden Mitteln die Wirkung als erloschen anzusehen, wenn eine zweite (oder seltener eine dritte) Erstwirkung sich bemerkbar machen sollte. So lange die auftretende neue Verschlimmerung der alten Beschwerden, ohne Hinzutritt wesentlich neuer Zeichen, welche außerhalb des Wirkungskreises des Mittels liegen, sich in dem Gesamtbilde der letzten Arznei abspiegelt, so lange darf man ja nichts Anderes oder dasselbe Mittel noch einmal geben, wenn man nicht bald diese Voreiligkeit bitter bereuen will. Am Nachteiligsten fand ich dieses Verfahren bei denjenigen Heilmitteln, welche, wie die größere Zahl der Antipsorischen, viele Wechselwirkungen haben, welche sich durch höhere Potenzierungen noch obendrein zu vermehren scheinen.“ [Hervorhebungen durch den Bearbeiter]


5. Klasse, Mittel mit der allerlängsten Wirkungsdauer:


Ant-c
, Bar-c, Calc, Caust, Graph, Hep, Kali-c, Phos, Sep, Sil und Sulf.


„Wo diese Arzneien, die wahren Heroen unseres Arzneischatzes für die chronischen Krankheiten, genau passen und angewendet werden, da tun sie in der Tat Wunder, wenn man ihnen nur die erforderliche Zeit vergönnt, ihre vollen Kräfte zu entfalten. Glücklicherweise gehören sie sämtlich auch zu den antipsorischen Polychresten und finden deshalb durchschnittlich die häufigste Anwendung. Aber noch weit mehr, wie bei allen vorhergenannten wird man sich bei diesen hüten müssen, vorzeitige Störungen zu veranlassen, indem der dadurch entstandene Nachteil nicht leicht wieder gut zu machen ist. Es gilt daher in verdoppeltem Maasse, was oben bei der 4. Klasse gesagt ist, und mein Journal enthält viele Fälle, wo eine einzige Gabe mehrere Monate lang deutlich wohltätig zu wirken fortfuhr und am Ende von dem langjährigen chronischen Siechtum jede Spur so vollständig verschwunden war, dass weiter nichts zu tun übrig blieb.
“[4] [Hervorhebungen durch den Bearbeiter]

 

 

 

[1] HOM 129 (1833)

[2] CK 2. Aufl., 1. Teil, S. 153 (Anfang 1834), teilweise zitiert in KMS 339 (1844)

[3] AHP 468 Anm. (1863)

[4] KMS 491-494 (1855)