Hinweise zu den chronischen Krankheiten


Miasmen


·      V. Bönninghausen bemerkt an mehreren Stellen, dass die (natürlichen) chronischen Krankheiten nicht nur durch Ansteckung erworben, sondern auch durch Erbschaft mitgeteilt werden können[1], so wie es auch die, damals allerdings noch nicht veröffentlichte, 6. Auflage des Organons lehrt.[2]        

·    V. Bönninghausen räumt ein, dass es außer den drei bekannten noch mehr Miasmen geben könnte, dies sei aber bis dato unbekannt und unbewiesen und müsse späteren Forschungen vorbehalten bleiben.[3]        

·     Bei chronischen Krankheiten psorischen Ursprungs sind die Antipsorika bedeutend wirksamer als nichtantipsorische Arzneien. Es gibt noch mehrere andere Antipsorika, als die in den CK verzeichneten.[4]   

▶ Die miasmatische Zuordnung der Mittel geschieht einmal auf Grund der Ähnlichkeit der Symptome mit dem Gesamtbild des Miasmas und zum anderen durch klinische Erfahrung, die zeigt, dass das Mittel miasmatypische Symptome und Beschwerden heilt.[5]

    

·    Die Antipsorika besitzen untereinander die größte Familienähnlichkeit. Die Unterschiede in ihren Zeichen betreffen meist nur Nebensymptome und Modalitäten. Diese Unterschiede müssen mit aller Schärfe aufgesucht und hervorgehoben werden, um eine streng homöopathische Wahl treffen zu können. Bei den Antipsorika „zieht sich das miasmatische Moment überall wie ein roter Faden durch alle Prüfungssymptome, und es ist mehr als wahrscheinlich, dass dies auch bei den antisyphilitischen und antisykotischen Arzneien in ähnlicher Weise der Fall sein muss.“[6]   

·     Die drei Miasmen besitzen eine große und unverkennbare Verwandtschaft und komplizieren sich dadurch leicht.[7]   

·       Mehrere Antimiasmatika sind mehrmiasmatisch wirksam.

"Aber eben hierin liegt auch noch ein fernerer triftiger Grund, die charakteristischen Zeichen jedes hierher gehörigen Heilmittels, insofern es einem oder anderem der drei chronischen Miasmen zukommt, abzusondern und separat aufzufassen.“ [Hervorhebungen durch den Bearbeiter]

Dies ist aber nur durch ein genaues Krankenjournal möglich.[8] Und in Bezug auf Hahnemanns CK bemerkt v. Bönninghausen: „...Hätte dieser ebenso redliche als tiefe Forscher [Hahnemann] damals schon den unermesslichen Umfang der Sykosis und deren häufige Verbindung, einerseits mit der Psora, andererseits mit der Syphilis erkannt, so würde wahrscheinlich die Einteilung [die Zuordnung von Symptomen und Mitteln zur Psora bzw. dann eben auch zu anderen Miasmen] eine andere geworden und vielleicht eine Abteilung entstanden sein, welche diejenigen Mittel enthalten hätte, die in mehreren chronischen Miasmen heilsame Wirkung zu äußern die Kraft haben.“[9] [Hervorhebung durch den Bearbeiter]       

·       Die Zuordnung von a) Mitteln und b) Symptomen zu den jeweiligen Miasmen und besonders von charakteristischen Symptomen, die nur einem Miasma exklusiv angehören und damit zur Diagnose des aktiven Miasmas dienen können, war (ist?) aber schwierig und oft unsicher, da der Umfang und das Bild der Sykosis und Syphilis noch nicht genau gezeichnet war (ist?) und zudem höchstwahrscheinlich viele der sogenannten Antipsorika in Wirklichkeit eher Antisykotika (zu Letzterem siehe etwas weiter unten) sind:

„Bei diesen chronischen Krankheiten ist es außerdem von der größten Erheblichkeit, gleich von Vorne herein das Miasma zu erkennen, auf dessen gleichsam anamnestischen Boden die gegenwärtigen Beschwerden wurzeln. Dies ist jedoch nur in wenigen Fällen aus den Angaben der Kranken und deren Angehörigen mit Zuverlässigkeit zu erkennen, und fast nie, wo zwei oder alle drei derselben miteinander kompliziert sind. Wegen der großen Wichtigkeit dieser Erkenntnis habe ich zu wiederholten Malen den verstorbenen Hahnemann aufs Dringendste gebeten, uns mit den systematischen Darstellungen der Zeichen für die Syphilis und die Sykosis zu beschenken, wie er solches (im ersten Band der chronischen Krankheiten) für die noch latente und die erwachte Psora getan hat, und wozu derselbe durch seine sorgfältig geführten Krankenjournale vor Anderen im Stande sein musste. Auch hatte er meinen Wunsch beifällig aufgenommen und die Erfüllung desselben in Aussicht gestellt. Allein zunehmendes Alter und vermehrter Krankenzudrang haben ihm dies unmöglich gemacht, und uns ist als Erbschaft die Aufgabe geblieben, das Fehlende nachträglich zu beschaffen.“[10] [Nicht kursive Hervorhebungen durch den Bearbeiter]   „In Betreff der Sykosis hat der erfahrungsreiche und scharfsinnige Wolf dazu bereits einen um desto wertvolleren Beitrag geliefert, als er damit auch die ungemeine Verbreitung dieses Miasmas in der Form der Pocken aufs Bündigste nachgewiesen hat. Aber eine übersichtliche systematische Anordnung der Zeichen und was dabei sonst noch ohne Zweifel und erfahrungsmäßig über den Wirkungskreis der Thuj hinaus geht, fehlt uns noch... Fast ebenso wenig rein Charakteristisches besitzen wir über den Umfang der sogenannten primären und sekundären syphilitischen Krankheiten, und über die Zeichen, welche den Einfluß dieses Miasmas auf mancherlei chronische Krankheiten mit hinreichender Zuverlässigkeit andeuten. Wenn auch die Zahl dieser letzteren Leiden jene der beiden vorigen [psorische und sykotische] schwerlich erreicht: so vermehrt hier der gewöhnliche vorgängige Missbrauch des Quecksilbers, wie bei der Psora der des Schwefels, nicht selten die Schwierigkeiten.    
Bei allen Studien und Forschungen über diese drei Grundursachen der chronischen Siechtümer kann nichts in der Welt nötiger und unentbehrlicher erachtet werden, als ein sorgfältig und umsichtig geführtes Krankenjournal, welches deren wesentliche Symptome [d.h. die miasmatypischen] in ihrer scharfen Charakteristik, zusammt den Ergebnissen der angewendeten Mittel, mithin die analytischen und synthetischen Materialien enthält, die durch wiederholte Erfahrung bestätigt, endlich zur Erkenntnis der Wahrheit führen müssen. Hier also ist ein noch ziemlich brach liegendes Feld zu bebauen,...“[11] [Nicht kursive Hervorhebungen durch den Bearbeiter]

 

   Die Diagnose des derzeit aktiven Miasmas wäre bei der Mittelfindung also von großer Wichtigkeit, um unter den in Frage kommenden Antimiasmatika – eine zutreffende Zuordnung dieser zu den jeweiligen Miasmen vorausgesetzt – diejenigen wählen zu können, die dem Genius der vorliegenden chronischen Krankheit überhaupt entsprechen.

 

 

„...dass eben aus dem genannten Umstande für die Praxis wieder eine neue Schwierigkeit dadurch erwächst, dass es uns bisher noch an sicheren Zeichen mangelt, woran wir mit Zuverlässigkeit die Herrschaft des einen oder des andern Miasmas erkennen können. Denn die bei Weitem grösste Zahl der Symptome bei chronischen Krankheiten befinden sich unter denen von allen Dreien, und es fehlt uns zur Zeit noch an der erforderlichen Sichtung und Trennung derselben, insofern manche von ihnen dem einen oder dem andern Miasma ausschließlich angehören und eben dadurch zur Feststellung des so überaus wichtigen anamnestischen Moments dienen können...“[12] [Hervorhebung durch den Bearbeiter]    

 

 

 

[1] KMS 384 (1848) AHP 177 Anm. 421 Anm. (1863)
[2] Organon (VI) § 78 Anm. § 284 Anm.
[3] KMS 720 (1862)
[4] KMS 631 (1860)
[5] SRA 1. Auflage XV (Mai 1832) SRN XIV Anm. (Februar 1835) SRN XIX (Februar 1835) KMS 768 769 770 (1863)
[6] KMS 761 (1863)
[7] KMS 761 (1863)

[8] KMS 761 762 (1863)

[9] KMS 770 (1863)

[10] KMS 759 (1863)

[11] KMS 759-761 (1863)

[12] KMS 720 721 (1862)