Klinische Diagnose



Die klinische Diagnose, d.h. die Diagnose der Krankheitsgattung
, kann nur sehr begrenzt für die Mittelwahl verwendet werden:

 

·        ...dass a) die schärfste und zweifelloseste Diagnostik der Krankheitsgattung, wie solche die besten pathologischen (allopathischen) Lehrbücher darbieten, selten oder nie für den Homöopathen hinreichend ist, um eine sichere Mittelwahl für den konkreten Fall zu treffen, und dass solche   

    
b) höchstens und auch da bei Weitem nicht immer dazu dienen kann, alle diejenigen Arzneien von der Konkurrenz auszuschließen, welche dem gemeinsamen Genius der Krankheit nicht zu entsprechen, sondern vorzugsweise auf andere Teile des lebenden Organismuses zu wirken scheinen.[1] [Hervorhebung durch den Bearbeiter]

 

·        Nichts kann den wahren Homöopathen unangenehmer berühren, als wenn er gegen diese oder jene Krankheit eine Reihe verschiedener Mittel findet, ohne daß dabei die genaue Diagnostik angegeben, vielmehr der Rat gegeben wird, erst dies, wenn’s nicht hilft, das Folgende und so weiter die ganze Liste durchzuprobieren, und so die Heilung nicht besser, als dem blinden Zufall anzuvertrauen.[2]

 

·        Darin eben liegt in bei Weitem den meisten unglücklich abgelaufenen homöopathischen Kuren der Grund des Misslingens, dass namentlich die angehenden Homöopathen sich allzu sklavisch an die bekannt gewordenen Heilerfolge gewisser Mittel gegen gewisse Krankheitsformen gebunden halten, anstatt den deutlichen Vorschriften der Homöopathie gemäß sich lediglich an die Ergebnisse der Arzneiprüfungen am Gesunden zu halten.[3]

 

·  Die Tabes dorsalis liefert von neuem den auffallendsten und unverwerflichsten Beleg für die homöopathische Regel, dass jeder Krankheitsfall eigenständig für sich erwogen werden muss, und um dabei Heilung zu erlangen, muss man, ohne sich um oftmals willkürlich gegebene Namen zu bekümmern oder ohne der generellen Charakteristik zu viel Wichtigkeit beizumessen, die eigentümlichen, individuellen, nur wenigen Mitteln zugehörigen Symptome aufsuchen und vor allem diese berücksichtigen.[4]      


 

 

[1] KMS 622 (1860)

[2] HA XXIII Anm. (Juli 1853)

[3] AHP 407 408 (1863)

[4] KMS 571 572 (1859)